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wissenschaftliche Arbeiten

09.03.2022

Heute Heuriger, morgen Wohnraum

Veronika Schafler visualisiert in ihrer Diplomarbeit ihre Vision des Innenhofs des Heurigenbetriebs Schaflerhof .

© Veronika Schafler

Der Weg zu mein Diandl is stoani ….. der zur Themenbörse Abschlussarbeit aber nicht. Im Gegenteil, er wird bei guter Leistung mit einem Stipendium belohnt. Das hat sich auch Veronika Schafler gedacht und ihr Diplomarbeitsthema an dieser Börse angeboten. Ein genauso persönliches wie aktuelles Thema: die Nachnutzung eines bestehenden Heurigenbetriebs, der in Zukunft nicht mehr weitergeführt werden wird.

Die Themenbörse Abschlussarbeiten ist nur ein Indiz dafür, dass Leerstand ein zentrales Thema unserer Zeit ist. Immer mehr Lehrveranstaltungen und akademische Abschlussarbeiten setzen sich damit auseinander. Leerstand hat unterschiedliche Gründe und verschiedenste Betroffene: Privatpersonen, Betriebe, Gemeinden. Es stellt sich die Frage nach der Neunutzung, wenn das leerstehende Gebäude nicht mehr seinem Ursprungszweck dienen soll. Vor dieser Herausforderung wird auch der Schaflerhof stehen, ein traditioneller Heurigenbetrieb in Traiskirchen in Niederösterreich. Veronika Schafler hat in ihrer Diplomarbeit Lösungswege aufgezeigt, aus dem Heurigen einen Wohnhaustraum mit Gemeinschaftssinn zu machen.

Wein und Heurige als etablierte Kultur in Kombination mit persönlicher Betroffenheit

Das Weingut Schaflerhof blickt auf eine lange Tradition zurück, die bis in das 19. Jahrhundert reicht. Mit Andreas Schafler endet jedoch der über fünf Generationen andauernde Familienbetrieb und die damit verbundene Weinproduktion. Kann die „Vision vom Schaflerhof“ anders weitergelebt werden?

Dazu schreibt Veronika Schafler zu Beginn ihrer Diplomarbeit: "Seit ich denken kann, gab es in meinem familiären Weinbaubetrieb immer wieder Um- und Zubauten. Mein Vater hatte seit jeher großes Interesse an dem Thema „Bau“ und ständig neue Ideen zur Vergrößerung des Weinguts. Dies ist unter anderem ein Grund, warum ich mich dazu entschlossen habe, Architektur zu studieren. So erscheint es mir nur logisch, dass sich meine Abschlussarbeit mit dem Weingut Schaflerhof, meinem Elternhaus, beschäftigt, um 'den Kreis zu schließen'. Denn was passiert, wenn die Eltern das Pensionsantrittsalter erreichen, die Nachfolger:innen den Familienbetrieb jedoch nicht übernehmen wollen? Wie können Traditionen und Werte trotzdem aufrechterhalten werden? Und kann die bestehende Immobilie anderswertig, zukunftsorientiert genutzt werden? Auf all diese Fragen und mehr gibt die vorliegende Arbeit erste Antworten. Die Umnutzung des in Zukunft leerstehenden Heurigen soll als beispielhaftes Projekt für ähnliche Konstellationen dienen, welche durch die gesellschaftspolitischen und kulturellen Veränderungen des letzten Jahrhunderts mehr und mehr zu Tage treten. Zugleich liefert es auch einen positiven Input auf die Themen des Bodenverbrauchs und der Zersiedelung, welche einen großen Stellenwert in Österreich haben und womit umgegangen werden muss."

Originäre Nutzung ade

Die Heurigenkultur wurde sogar in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen. Tatsache ist aber auch, dass immer mehr kleine Weinbaubetrieben zusperren, eine Weiterführung der Familientradition im klassischen Sinne ist oft nicht mehr möglich. Daher kommt es zu einem vermehrten Leerstand von traditionellen, bestehenden Weingütern. Auf der anderen Seite beschäftigen sich Stadtplaner:innen, Politiker:innen und Vertreter:innen der Bauindustrie und Immobilienbranche seit Jahren mit dem Thema der Wohnungsknappheit sowie der großen Nachfrage nach Wohnraum. Wohnen befindet sich im Wandel, der Wunsch nach Gemeinschaft kehrt zurück und neue Wohnformen, wie zum Beispiel Co.Housing oder Cluster-Wohnungen, werden angestrebt. Veronika Schafler, Architektur-Absolventin der FH Joanneum und Tochter des Schaflerhof-Eigentümers, verfolgt in ihrer Diplomarbeit das Ziel, beide Themen miteinander zu kombinieren, die bestehenden Höfe neu zu aktivieren und damit zu attraktiveren.

Wie sich die Visionen der Stadt Traiskirchen mit den Ideen Veronika Schaflers verbinden könnten

Mit 20.898 Einwohnenden (Stand 01. Dezember 2021) zählt die Stadt Traiskirchen zu den bevölkerungsreichsten Gemeinden im Verwaltungsbezirk Baden, wo sich auch der international bekannte Kurort, die Stadt Baden bei Wien, befindet. Traiskirchen liegt an der Thermenlinie, 200 m über dem Meeresspiegel, mit einer Fläche von rund 29 km². Neben der vielfältigen Landschaft und den zahlreichen Weingärten ist das Erstaufnahmezentrum OST für Asylwerbende (oder Flüchtlingslager), eine ehemalige Kadettenschule der k.u.k. Monarchie, prägend für die Stadt. 2019 hat Andreas Babler als erster Bürgermeister einer Stadt in Österreich den „Climate Emergency“, den Klimanotstand, ausgerufen. Seitdem wurde Nachhaltigkeit als Thema mit höchster Priorität eingestuft. 2021 wurde dafür im Rathaus eine eigene Abteilung für nachhaltige Raumordnung, Energie und Ökologie gegründet. Zurzeit wird ein Klimaschutzkonzept gemeinsam mit dem „Austrian Institute of Technology“ erarbeitet, das auf die Schwerpunkte bezahlbare und saubere Energie, nachhaltiger Konsum, Produktion und Bau sowie Mobilität und Bewusstseinsbildung abzielt. Dazu wurde auch die Bevölkerung der Gemeinde in Form einer Online-Umfrage eingebunden.

Neben dem Klimaschutz ist auch das Bauen ein wichtiges Thema: 2018 wurde für drei Jahre eine Bausperre über Traiskirchen verhängt, einerseits um den Ortskern zu schützen, andererseits um Änderungen an Flächen- und Bebauungsplänen vornehmen zu können. Durch die Beschränkung von Wohneinheiten pro Grundstück wird der Versiegelung entgegengewirkt. Für mehr Wohnqualität sollen kleinteilige vorhandene Strukturen aufrecht erhalten bleiben und gesichert werden. Eine städtebauliche Verdichtung ist an infrastrukturellen Schwerpunkten vorgesehen.

So ist es kaum verwunderlich, dass auch das offizielle Traiskirchen - Elisa Wrchowszky, Koordinatorin der Abteilung für Energie, Ökologie & nachhaltige Stadtentwicklung - stellvertretend für die Stadtgemeinde das Vorhaben von Veronika Schafler positiv für die Gemeinde sieht. Deartige Umnutzungsvorhaben hätten den Vorteil, den Charakter von Traiskirchen zu erhalten und gemeinschaftliches Wohnen zu etablieren. Der partizipative Aspekt sei beim Wohnbau wichtig und sollte auch in Zukunft und ganz besonders für derartige Wohnprojekte mit Co-working und Shared-space berücksichtigt werden.

Wer sich näher mit der Heurigenkultur in Niederösterreich, dem Heurigenbetrieb Schaflerhof und dessen zukünftiger Nutzung befassen möchte - und das nicht nur theoretisch, sondern auch in Bildern - kann das gerne tun. Die Diplomarbeit HEURIGEN NEU attrAKTIVIEREN - Die Umnutzung inaktiver, traditioneller Heurigen am Beispiel des Weinguts Schaflerhof in Traiskirchen (NÖ) steht zum Download bereit.

Besucherinnen und Besucher im Innehof des Heurigenbetriebs Schaflerhof in Traiskirchen
© Andrea Karl
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